Bärbel Hölscher Kinesiologin im Interview

Neuroenergetische Kinesiologie
Wie Reflexe unser Leben Prägen & wie wir sie selbst verändern können

Was hat Sie dazu bewegt Ihren heutigen Beruf zu ergreifen?
Meine älteste Tochter war in der zweiten Klasse, das ist nun schon 24 Jahre her, da lernte ich Brain Gym® kennen, eine der damals drei existierenden Kinesiologierichtungen. Sehr schnell faszinierte mich diese Methode des Stressabbaus, und ich fing an, zunächst nur im norddeutschen Raum, und dann ab 1999, bis auf eine Ausnahme, nur noch nach Kirchzarten zum IAK zu fahren, um dort meine Ausbildung als Kinesiologin zu machen.

Diese Faszination hat mich nie mehr losgelassen, im Gegenteil, sie wird immer intensiver.

Was ist Kinesiologie?
Kinesiologie kommt aus dem griechischen Kinesis und heißt die Lehre der Bewegung. Die Kinesiologen arbeiten mit dem Muskeltest, der hier kein Muskelfunktionstest, sondern ein Biofeedbacksystem darstellt, das darüber Auskunft gibt, inwieweit Stress in dem System Körper, Geist und Seele vorhanden ist. Schaltet der Muskeltest an, als gibt der Muskel nicht nach, dann ist in dem Moment kein Stress vorhanden, schaltet er ab, also gibt er nach, wird eine Imbalance sichtbar, die dann über verschiedene Korrekturtechniken wieder in die Balance gebracht wird. Deshalb balancieren wir auch und behandeln nicht. Wir bringen ein energetisches Ungleichgewicht wieder in die Balance. Das ist Kinesiologie – mehr nicht.

Sie existiert in diesem Jahr seit genau 50 Jahren und demzufolge haben sich ganz viele verschiedene Kinesiologierichtungen entwickelt. Denn Kinesiologie ist genauso wie Medizin nur ein Oberbegriff, bei dem man genauso nachfragen muss – und welche Richtung vertreten Sie? Das Einzige, das alle Kinesiologen wirklich gemeinsam haben, ist ihr Handwerkszeug – der Muskeltest!

Die Richtung, die ich anwende, nennt sich neuroenergetische Kinesiologie. Diese basiert auf den neuesten Hirnforschungsergebnissen und wurde entwickelt von Hugo Tobar, der auf den Arbeiten seines Lehrers Dr. Charles Krebs aufbaute. In der Form, wie ich damit arbeite, existiert sie erst seit ca. zehn Jahren und entwickelt sich rasant weiter, so dass ich ständig auf Fortbildungen bin.

Wie würden Sie Ihre Arbeitsphilosophie beschreiben?
Hilfe zur Selbsthilfe!

Neuroenergetische Kinesiologie und Reflexintegration bilden Ihren Arbeitsschwerpunkt Können Sie uns die Neuroenergetische Kinesiologie etwas genauer vorstellen? Was bedeutet Reflexintegration?
Die Neuroenergetische Kinesiologie arbeitet mit energetischen Signaturen, die folgendermaßen zustande kommen: die Hände berühren in verschiedenen Haltungen Akkupunkturpunkte, womit wir dann z. B. die unterschiedlichsten Gehirnareale adressieren und dann über den Muskeltest ermitteln, ob sich Stress zeigt oder nicht. Wenn Stress anzeigt, wird dieser über das Halten der vorher ausgetesteten Akupunkturpunkte herunter geladen.

Als Bild kann man sagen, der Klient fängt an, die Steine, Äste und Blätter aus einem Flusslauf heraus zu räumen, damit das Wasser nicht mehr zu stark mäandert, sondern ruhig im Flussbett fließen kann.

Reflexe sind unbewusste motorische Reaktionen, die zuvor durch einen Stimulus – sei es visuell, auditiv, taktil oder vestibulär – ausgelöst wurden.

Reflexe sind im ersten Lebensjahr überlebensnotwendig, denn fehlt der Such- Saug- und Schluckreflex, würden wir verhungern. Bis zum 6. Lebensmonat sollten der Such und Saugreflex vollständig integriert sein, der Schluckreflex bleibt natürlich weiterhin bestehen.

Integration bedeutet nun, dass wenn man nach dem sechsten Lebensmonat die Lippen oder um den Mundbereich herum streichelt, sich der Mund nicht automatisch öffnet und das Kind die „Futterquelle“ sucht. Ist das auch nur im Geringsten zu beobachten, heißt das, dass zumindest dieser Reflex nicht ausreichend integrierte. Später, d.h. im Laufe der Entwicklung bis zum Erwachsenenalter hin, kann man dann einen fehlenden Mundschluss beobachten.

Die Folge sind Logopädiebesuche und u. U. eine Kiefernorthopädische Korrektur. Weiter erzählen mir manche, dass sie es kaum aushalten können „federnde“ Küsse zu ertragen, es muss bei dieser wunderbaren „Tätigkeit“ immer Druck ausgeübt werden. Vor kurzem habe ich einen Vortrag vor Physiotherapeuten gehalten, die wissen wollten, woran man denn nicht integrierte Reflexe erkenne könne.

Hier ein Beispiel: Ein vor der Körpermittellinie vorgeschobener Kopf (Geierhals) und Hohlkreuz sind Folgen von nicht integrierten Reflexen.

Ich kann an den Haltungen genau erkennen, egal wie alt derjenige ist, welche Reflexe nicht gut integriert sind und dann durch die Methoden, die ich zur Verfügung habe, den Menschen helfen, dass diese nachträglich langsam integrieren.

Wo sehen Sie die besonderen Stärken der Neuro-energetische Kinesiologie? Welche Beschwerden, Probleme oder Anliegen können hiermit besonders gut angegangen werden?
Da man mittlerweile weiß, wie wichtig ein gut „funktionierendes Gehirn” ist, kann man mit der Neuronergetischen Kinesiologie vor allem bei Lernproblemen sehr gute Ergebnisse erzielen.

Da ich sehr gerne strukturell arbeite, daher meine Affinität zur Reflexintegration, kommen auch viele mit den unterschiedlichsten Schmerzsymptomatiken zu mir. Bei Rückenschmerzen, Hals- und Nackenproblemen oder Hüftproblemen kann man mit dieser Methode viel erreichen.

Können Sie vielleicht an einem Beispielfall verdeutlichen wie sich eine Behandlung mit neuroenergetischer Kinesiologie auswirken kann bzw. wie sich eine erfolgreiche Reflexintegration bemerkbar macht?
Die sogenannte ADHS Symptomatik ist Ausdruck von nicht integrierten Reflexen, insbesondere des Furcht-Lähmungsreflexes und Moro-Reflexes. Beide haben viel mit Angstzuständen zu tun. Ein nicht physiologischer Muskeltonus, sei er hyperton oder hypoton, hängt mit dem tonischen Labyrinthreflex zusammen. Fängt man nun an, an diesen Reflexen kinesiologisch zu arbeiten, was wohlgemerkt ein Prozess ist, werden die Symptome weniger, bis dass sie u. U. verschwinden. Denn der neurologische Ursprung der Reflexe sitzt im Hirnstamm, den wir mit der neuronenergetischen Kinesiologie sehr gut erreichen können.

Wie gestaltet sich ein Behandlungstermin wenn ich zu Ihnen in die Praxis komme? Was erwartet mich?
Bei der telefonischen Terminvereinbarung frage ich natürlich sofort, welche Symptomatik der Klient hat. Danach entscheide ich, ob ich sofort die richtige Ansprechpartnerin bin, oder ob ich ihn zunächst zu einem anderen Therapeuten schicke. Ich arbeite mit einem guten Netzwerk bestehend aus Ärzten, Physiotherapeuten, Ostheopathen und Hebammen zusammen.

Wenn dann der Klient da ist, lasse ich ihn erzählen. Wenn es Kinder sind, habe ich vorher am Telefon alles Wesentliche mit den Eltern besprochen, um dann genau zu erklären, wie ich arbeite. Sehr wichtig ist für mich, dass ich vom ersten Termin an immer wieder die Stärken, die derjenige hat, betone, um dann entspannter in die kinesiologische Sitzung gehen zu können.

Dabei liegt der Klient dann auf der Liege, und ich arbeite dann weitestgehend nonverbal, indem ich über die energetischen Signaturen den Stress ermittle und abbaue.

Nach einer Balance bekomme ich immer wieder gesagt, dass sich das Körpergefühl wohltuend verändert hat und die Sinneswahrnehmung schärfer wird.

Weshalb haben Reflexe einen solch prägenden Einfluss auf unser Leben?
Reflexe entwickeln sich bereits intrauterin. Bereits während der Schwangerschaft üben die Föten die Bewegungsmuster ein, die, wenn die Reflexreaktionen integriert sind, die Grundlage für alle unsere späteren Bewegungsabläufe sind.

Je besser die Reflexe dann integriert sind, werden sie durch die Stimuli nicht mehr unbewusst gereizt, sondern die Bewegungen und Haltungen, die mit den jeweiligen Reflexen korrespondieren, können bewusst für eine bestimmte Zielsetzung, sei es gut Reiten, Tanzen oder Matheaufgaben lösen (Stifthaltung) eingesetzt werden. Man kann sagen, je besser die frühkindlichen Reflexe im ersten Lebensjahr integriert sind, desto leichter können wir unser Potential entfalten, unser Wohlbefinden und unser soziales Miteinander profitieren davon.

Sie haben auch ein Buch zum Thema veröffentlicht: “Kraftvoll! Reflexe prägen das Leben” und daraus einen Kurs zum Thema entwickelt. Hier vermitteln Sie ein Prinzip mit einer Methode, um nachträglich Reflexe zu integrieren – vom Kleinkind bis ins hohe Alter. Können Sie uns mehr zu diesem Prinzip und der Methode berichten?
Im Buch gebe ich einen Überblick über 25 Reflexe, wie sie ausgelöst werden, und welche Verhaltensweisen sich später zeigen können, wenn der entsprechende Reflex nicht integriert ist.

Im Kurs vermittle ich das Prinzip der Zentralen Koordination, wie diese bei JEDEM Menschen aussieht, wie man sie selber sehr schnell herstellen kann und zeige dann Übungen, wie diese zentrale Koordination auch dauerhaft erreicht werden kann. Denn nur aus der Mitte heraus denkend und handelnd, brauchen wir die wenigste Energie, um irgendetwas zu tun, bzw. zu erreichen.

Können Sie sich auch ein Leben ohne Kinesiologie vorstellen?
Nein, denn sie ist für mich nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung.

Was ist Ihnen wichtig im Umgang mit Ihren Klienten?
Eine wertschätzende und empathische Begegnung. Empathisch heißt mitfühlend und ist ein hochkognitiver Prozess, der im Frontallappen des Gehirn statt findet, dort wo der Mensch sein Verantwortungsgefühl, seine Handlungsplanung und die Kontrolle über seine Handlung hat.

Was lieben Sie besonders an Ihrer Arbeit?
Die Begegnung mit den unterschiedlichsten Menschen, die aus der ganzen Bundesrepublik zu mir kommen und mich sogar aus dem Ausland für Vorträge anfragen.

Ihr Lebensmotto in einem Satz?
“Wenn Sie so denken, wie Sie immer gedacht haben, werden Sie so handeln, wie Sie immer gehandelt haben. Wenn Sie so handeln, wie Sie immer gehandelt haben, werden Sie das bewirken, was Sie immer bewirkt haben.” – Albert Einstein

Wir bedanken uns ganz herzlich für das Interview.

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